Auswertung der weiteren beschlagnahmte Papiere Rühls

In den weiteren beschlagnahmte Papiere Rühls finden wir Hinweise über sein Verständnis vom Volk und Staat. In den ersten Seiten schreibt er über die Gesetzgebung und die Rolle des Staats. Er geht kurz auf die Völker der Antike, die Juden und Römer ein. In den letzten Seiten schreibt er über die Sinnenwelt, Geist und Gerechtigkeit.

Ob es in den Seiten aus dem Archiv um einen einzigen Entwurf eines Manuskripts oder mehreren einzelnen Entwürfen handelt, ist für mich noch unklar. Leider sind nicht alle Dokumente der damaligen Auflistung der beschlagnahmten Dokumente vorhanden. Es sind vor allem die Briefe, die fehlen.

Für mich dienen die Papiere als Beleg für eine liberale Gesinnung. Der Staat berührt auf dem Willen des Volks.

„Wie ist die Gesetzgeb[un]g aus…? die Vereinig[ung] eines Volks zu einem St[aa]t u die Festsetz[ung] der Grundform der St[aa]tsreg[ierung] ist etw. so … aus dem Wille[n] des Volks unmittelb[ar] hervorgehendes, daß sich dieß vernünftig nicht anders denken läßt.“

Seite 41

Er Schreibt über die Freiheit des Menschen und argumentiert, dass diese Freiheit nur durch die Freiheit eines anderen Menschen gegrenzt werden kann. Damit die Menschen friedlich zusammenleben können, muss es eine Instanz geben, die diese Freiheit durch die Gesetzgebung schützt.

Was aber die Vernunft als nothwendig vorschreibt in Bezug auf das äußere Zusammenleben unter den Menschen, d. h. als nothwendige Bedingung damit Vernunftwesen als Sinnenwesen in der Sinnenwelt einig u friedlich nebeneinander leben können was also nichts Absolutes ist, sondern deßen Gültigkeit nur besteht in der Beziehung der Vernunftwesen auf die Sinnenwelt. Dieses nennen wir Recht. Der höchste Grundsatz dieses Rechts ist, „daß jeder Mensch sich in seinem äußeren […] Wirken so beschrenke, daß jeder andere seines gleichen neben ihm auch frei wirken kann, wie er.“

Seite 50f.

Es fällt auf, dass er das Wort Sinnenwelt mehrfach verwendet. Dies deutet auf den Einfluss der griechischen Philosophen der Antike. Der Begriff findet man in Platons Ideenlehre und genauer seine Zwei-Wellten-Lehre. Diese zwei Welten sind die Sinnenwelt und die Vernunftwelt. Die erste Welt ist beherrscht von Ideen, d.h. eine Abstraktion dessen, was der Mensch wahrnimmt. Die zweite Welt ist dieses Wahrnehmbares. Anders gesagt, was der Mensch wahrnimmt abstrahiert er in ein allgemeingültiges Konzept, das zu Idee wird.

Die Verwendung des Begriffs Sinnenwelt deutet aber auch auf einen Einfluss durch Immanuel Kant, der auch den Begriff verwendet. Diese Zweiteilung verwendet er im Kontext der Erklärung des autonomen Willens. Die Sinnenwelt wird von Naturgesetze beherrscht und die andere Welt, die Verstandeswelt, von Vernunft.

Möglicherweise sind aber die Ideen von Kant durch die Lehre der Antike beeinflusst. Also sind die Hinweise auf einer Verankerung in der Antike bei Rühl sehr stark.

Für die Entstehung der Verfassung im Großherzogtum Hessen könnte die folgenden Erkenntnisse aus Rühls Papiere möglicherweise herausgearbeitet:

  • Sie liefern Beweise, dass Rühl zu einer liberalen Bewegung gehörte.
  • Sie geben Hinweise auf die Bildung der „Schwarzen“ und der Einfluss altgriechische Philosophie auf ihre Weltanschauung
  • Bieten einen Beweis, dass sie von der Legitimierung des Staats durch den Willen der Menschen überzeugt waren und deshalb für die Verfassung gekämpft haben.

Ein möglicher nächster Schritt wäre jetzt eine stärkere Verbindung zwischen die Konzepte in Rühls Papiere und den Ideen Kants zu belegen.